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Reportage "Urbefahrung"

Trans Tramuntana - Reportage "Urbefahrung"

Einleitung

Mittlerweile ist es 18 Jahre her, das wir diese „Ur Trans Tramuntana“ gefahren sind. 1998 haben wir diese Route das erste Mal durchgängig befahren. Viel ist passiert in der Zwischenzeit. Die Route ist auf aktuellem Stand und auf 5 Tage ausgedehnt. Mallorca ist einfach zu technisch und landschaftlich zu reizvoll als das man sich den Streß antun sollte und in 4 Tagen durch die Tramuntana „zu heißen“. Einige der beschriebenen Abschnitte können oder dürfen nicht mehr befahren werden. Dafür sind neue, ebenso eindrucksvolle Abschnitte dazu gekommen. Immer mehr Touranbieter sind erschienen und einige auch wieder gegangen. Nicht zu letzt angeregt durch meine Publikationen wie „Megatours Mallorca“ (Hallwag Verlag) dessen ersten Entwurf dummerweise einer der „Pauschalreiseveranstalter“ in die Hände bekommen hat und "Trans Tramuntana - Mallorcas längste MTB Tour" (Bruckmann). Die Folge waren „Franchise Bikestationen“ von denen die meisten wieder verschwunden sind. Übrig geblieben sind zum Glück nur ein paar wenige Bikeanbieter, die sicher auch einen guten Job machen. Sehr zum Wohl der Biker, die jedes Jahr die Insel besuchen.
Durch die teils sehr schweren technischen Abschnitte sind die MTB Strecken bzw. Tagestouren nicht so lang auf Mallorca, was immer wieder zu Unverständnis bei denjenigen führt, die die Insel noch nicht kennen. Aber auf Mallorca können 30-40 Kilometer und 500-600 Höhenmeter auch die besten Fahrer sehr fordern. Die Etappen der „neuen Trans Tramuntana“ liegen zwischen 45 und 50 Kilometern und 1200 und 2000 Höhenmetern. Bisher habe ich nach der Tour noch keinen Teilnehmer erlebt, der die Route als easy going oder gar als Vorbereitung auf die Alpen gesehen hat. Das Gegenteil ist eher der Fall. So ist die Tour auch nichts für Anfänger. Die  Teilnehmer bekommen dafür aber eine der schönsten Touren Europas unter die Räder. Abwechslungsreich wie sonst nirgendwo. Und immer den Geruch des Meeres in der Nase. Was will man mehr.

Es war einmal - anno 1998: Ur – Trans Tramuntana – Der Anfang

Reportage

Früh morgens fuhr uns Juan mit dem Minibus nach St. Elmo, unserem Startpunkt. Tags zuvor hatten wir bereits alles fertig gemacht. Unsere Rucksäcke gepackt, die Räder kontrolliert und eine letzte Probefahrt. Alles in Ordnung hatten wir befunden. Und nun gings los. Ein bißchen Aufregung war jetzt doch dabei. Was würden die folgenden vier Tage bringen. Einen Hauch von Abenteuer, das wäre schön. Aber auf Mallorca. Niemals. Oder doch ? 240 bis 260 Kilometer und zwischen 5000 und 7000 Höhenmeter je nach Streckenplanung. Alles zu schaffen. In den Alpen habe ich mit Freunden schon 5000 Höhenmeter an einem Tag gemacht. Was soll's also, die Strecke müßte gut zu schaffen sein. Und im übrigen kannte ich die gesamte Strecke schon von den Arbeiten für mein Buch. Nur in dieser Kombination und als Gebirgsdurchquerung bin ich sie noch nie gefahren. Immer nur einzelne Touren, Tagestouren mit kleinem Rucksack. Und nun 10 Kilo auf dem Rücken, und heiß. Morgens um 9 Uhr bereits 26°. Premiere also.

1. Tag
St. Elmo--Sóller
"Aller Anfang ist schwer"

Um 10 Uhr morgens sind wir endlich in St. Elmo angekommen. Wir laden die MTB's aus und verabschieden Juan, der uns noch viel Glück und Hals und Beinbruch für die Route durchs Gebirge wünscht. Ali schaut ihm mit wehmütigem Blick nach. "Mein Gott, zu was hab' ich mich da überreden lassen, wenig trainiert in den letzten Monaten, mäßige Kondition und dann diese Route", dachte Ali sich wohl als wir Juan hinterherwinkten. Es gibt kein zurück mehr, wir müssen durch.

Der Anfang war beiden, Bernd und Ali noch vom letzten Jahr bekannt als wir mit einer Gruppe hier die Tour um La Trapa fuhren. Es geht zunächst durch ein Wäldchen nach Can Tomevi, einer kleinen, ruhig gelegenen Finca. Ein paar Kilometer hinter der Finca geht's dann richtig los. Der Anstieg hoch zum Coll de ses Animes hat sich gewaschen. Über eine sehr steinige Piste muß man aufwärts fahren, mit deutlich über 20% Steigung an der steilsten Stelle und nirgendwo Schatten. Bitte laß es nicht allzu heiß sein, scherzten wir noch bei der Anfahrt. Unserer Bitte wurde natürlich nicht entsprochen. Die Sonne brannte gnadenlos herunter. Kurz vor dem Paß hatten wir bereits 37°. Und das um 11.30 Uhr. Konnte nur besser werden. Am Paß hatten wir schon ordentlich Körner verschossen, besonders Bernd und Ali, die die Auffahrt viel zu schnell angegangen waren. Wir waren gerade mal 4,5 Kilometer unterwegs. Erst mal ein bißchen auf die Bremse treten, sonst überleben die zwei den nächsten Tag nicht mehr. Kurz nach dem Paß fahren wir auf schmalen Singeltrack weiter Richtung Ses Bases und müssen auch schon bald die Räder tragen. Hier auf dem kleinen Trampelpfad ist fahren nicht mehr möglich. Zum Glück ziehen ein paar Wolken auf und es wird etwas kühler. Na ja, was man so kühler nennen kann. Der zwei Kilometer lange Schiebe- und Trageabschnitt ist sehr steinig, wer hier keine guten Schuhe hat wird wohl viel fluchen. Trotz der Anstrengungen genießen wir immer wieder die Ausblicke und die tolle Landschaft. Der Ausblick auf die Isla Dragonera,-- die Dracheninsel --, ist phänomenal6

Der Trageabschnitt ist auch bald überwunden und wir rollen auf breiter Schotterpiste der Küstenstraße C 710 entgegen. Als wir diese endlich erreicht haben heißt es erst einmal durchatmen und dann die nächsten 16 km auf Asphalt weiter. Und, es geht nach kurzem Ansteig abwärts. Die Räder so richtig laufen lassen, das macht nach dem Off-Road Stück jetzt besonders viel Spaß. Die Straße schlängelt sich auf und ab die Küste entlang, kann dich geradezu fesseln mit ihrer wunderschönen Landschaft. Und dann kommt es natürlich wie es kommen mußte, der Mann mit dem teuersten und neusten Material hat eine Panne. Die Kette ist fliegen gegangen. Nachdem wir vorher bereits die Disc Brakes neu einstellen mußten ist nun das Kettenschloß auf und davon. "Hey, Mr. Cannondale. Bernd und ich vertrauen da lieber auf europäische Wertarbeit", rief ich Ali noch entgegen, was mit einem mürischen, kurzen Lächeln quittiert wurde. Was mehr als Scherz gedacht war, kam in diesem Moment gar nicht gut. Also, Werkzeug raus und bei der Reparatur helfen. Nach ein paar Minuten war alles wieder beim alten und wir setzten die Reise fort. Von nun an lief es ohne Pannen.

Kurz vor Banyalbufar folgte dann der zweite Off-Roadabschnitt. Nach einem kurzen steinigem Abschnitt fuhren wir auf einer sehr guten, breiten Piste auf das Gutshaus von S'Arbocar zu, an dem uns die Wachhunde schon laut bellend erwarteten. Der kleine läuft frei und kläfft sich die Seele aus der winzigen Lunge. Dabei stachelt er seinen großen Kumpel, der an einer langen Laufleine festgekettet ist noch an. "Los, reiß die Kette ab und mach sie alle die Biker, die haben hier nichts verloren" kläfft er dem großen, schwarzen Pastor Mallorquin zu, der gut und gerne seine 45 bis 50 Kilo wiegt. Aber der Kleine ist harmlos und der Große hängt an seiner Kette, weit genug weg vom Weg. Wir passieren das Fincagelände zügig, wohl genau der Effekt den die Besitzer mit den Hunden erreichen wollen. 25 Minuten später haben wir Esporles erreicht. Hier füllen wir unsere Wasservoräte auf, essen etwas und genießen einen kurzen Moment die schöne Plaza.

Wir haben noch 30 Kilometer vor uns bis Sóller, unserem ersten Etappenziel. Noch ca. 20 Kilometer Asphalt, nicht immer der beste, aber immerhin und 10 Kilometer Off-Road. Pünktlich zum Anstieg nach Son Cababspre und dem Cami des Bosc steigt die Temperatur wieder auf über 38°. Und das im Mai. Aber wir hätten besser nicht zu früh geflucht über die plagende Hitze, die uns am ersten Tag den letzten Nerv rauben wollte. Ich kam als erster am Paß des Cami des Bosc an. Und traute meinen Augen nicht. Was war das, was dort in einem irren Tempo den Hang vom Meer herauf kam. Kaum gedacht, hatte mich der Wind auch schon gepackt und ich mußte mich mit aller Kraft gegen den Wind stemmen um nicht von der kleinen Paßstraße in den Wald gedrückt zu werden. Die Pinien bogen sich durch den Druck enorm zur Seite. Innerhalb von Sekunden konnte man die Hand vor den Augen nicht mehr sehen. Sirenen heulten den Berg hinauf. Und wir suchten hinter der Mauer am Paß Schutz. Das war er also, der so berühmte balearische Minutensturm. Jetzt komme ich schon so lange hierher, habe mehrmals mehrere Monaten hier verbracht, aber so etwas hatte ich und auch meine beiden Begleiter noch nicht erlebt. Zum Glück sind wir mit dem Mountainbike auf dem Weg nach Sóller und nicht mit dem Segelboot. Genauso schnell wie er gekommen war, war der Spuk auch wieder vorbei. Wir zogen also unsere Windbreaker an und fuhren ab. Die Temperatur war von 38° auf 21° gefallen. Etwas später war auch der letzte Rest des Nebels verschwunden und alles war beim Alten. Sonne, blauer Himmel und unsere Schweiß. Wir genoßen die Asphaltabfahrt nach Deià. Der letzte Off-Roadteil würde schwer genug.

In Deià angekommen entschieden sich Bernd und Ali für die Straße bis Sóller. Kraft sparen für morgen, war ihre Begründung. Nicht ganz zu unrecht. Ich mußte die Off-Roadstrecke fahren. Ich brauche das Höhenprofil und die genaue Dokumentation für die Events 2000. Kurz hinter Deià trennten sich dann unsere Wege. Wir verabreden uns später auf der Plaza in Sóller zu treffen. Die Beiden rollen also die Straße weiter unserem gemeinsamen Ziel entgegen und ich fahre erst einmal den Karrenweg hoch. Es ist schon spät, wir hatten uns viel Zeit gelassen für Fotos und Landschaft. Jetzt heißt es noch einmal in die Pedale treten, 10 Kilometer Schotterpiste, teils Singletrail und einige Trageabschnitte. Aber wunderschön, ich würde immer wieder hier langfahren. Vorbei geht's an den großen Gehöften von Son Mico und Can Prohom weiter bis S'Heretat. Auf Son Mico gibt's frisch gepreßten Orangensaft und selbstgebackenen Kuchen, der von der Hausherrin Señiora Isabell serviert wird. Von Son Mico genießt man einen grandiosen Ausblick über die Stadt Sóller und ihren Naturhafen. Übrigens der einzige, sichere Hafen an der gesamten Nordküste. Aber hierfür habe ich heute keine Zeit. Es wird bald dunkel. Die gluhtrote Sonne verliert sich langsam im Horizont. Über eine Betonpiste gelange ich schließlich auf die C 713. Die ersten Häuser von Sóller sind erreicht. Nach 71 Kilometer und ca. 1700 Höhenmeter ist das erste Etappenziel erreicht. Eigentlich war's ja doch nicht so schwer. Ich fahre im Kreisel rechts abwärts Richtung Innenstadt. An der Plaza Espanyol sitzen Bernd und Ali bereits bei einem Cafe con Leche. "Hola Miguel, unser Hostal ist nur ein paar hundert Meter von hier entfernt, günstig gelegen für ein abendliches Cerveza", ruft Bernd mir freudestrahlend entgegen.

2. Tag
Über den Escornador und durchs Balitxtal
"Hitzeschlacht und Traumtrail"

Morgens im Hostal wird erst einmal gut gefrühstückt. Danach eine letzte Kontrolle der Räder und los geht's. Ali meint ihm tun heute morgen sämtliche Knochen weh und er wolle lieber die Straße hoch zum Stausee Cúber fahren, wären ja auch immerhin fast 20 Kilometer. Bernd und ich nehmen den Weg, weswegen wir eigentlich hier sind. Der Weg schlechthin fürs Mountainbike. Der Weg über den Escornador. Privatbesitz, man braucht eine Sondergenehmigung und einen Schlüssel fürs verschlossene Gatter bei Arrom. Aber hierfür lohnt aller Aufwand. Wir passieren den Friedhof und kurz hinter Sóller beginnt der Waldweg. Bernd sagt kein Wort, er wäre wohl lieber auch mit Ali die Straße gefahren, aber dann hatte ihn doch der Ehrgeiz gepackt. Wir beide kannten die Strecke bereits, aber nur abwärts. Aufwärts waren wir sie noch nicht gefahren, wir konnten uns aber schon gut ausmalen was auf uns zu kommt. Viele Serpentinen, kein Asphalt, also auch kein runder Tritt, viel Sonne, blauer Himmel und viel, viel Schweiß.

Ziel unserer heutigen Etappe war das Refugi Tossals Verds. Zur Zeit Mallorcas einzige bewirtschaftete Berghütte. Wir fuhren also stetig bergauf. Die Sonne wurde langsam aber sicher wieder unser Feind. Wie bereits am Vortag hatte sie vor uns in den Wahnsinn zu treiben. Nachdem wir die erste von zwei kleinen Fincas passiert hatten kam er dann endlich. Der atemberaubende Abschnitt mit den 180° Kehren. Wer in Gottes Namen ist auf diese Idee gekommen in dieser abgelegenen Gegend einen solchen Weg in den Berg zu bauen. Nur um dort oben ein paar Terrassenfelder zu bewirtschaften? In der Mitte der 180° Kehren Strecke kommt dann das große, verschlossene, mit Stacheldraht verspannte Tor. Wer jetzt keinen Schlüssel hat wird wohl umkehren müssen. Kurze Zeit später passieren wir die zweite Finca und können nur noch ein Stück fahren. Bald beginnt der Trageabschnitt. 500 Meter aufwärts und ca. einen Kilometer abwärts tragen. Bernd graut es schon bei dem Gedanken, er hatte von gestern noch genug. Und wo Ali jetzt wohl ist. Ob er bereits den Stausee erreicht hat? Bestimmt, denn er braucht das Bike ja über keinen Paß zu tragen und konnte locker rollen.

Also, das Bike schultern und ab dafür. Kurze Zeit bietet uns das Wäldchen nach der Finca ein wenig Schatten. Leider nicht allzu lange. Aber wir wollten doch Sonne, oder nicht? Sonst hätten wir ja auch eine Alpenüberquerung machen können. Der Scheitelpunkt mit der Schutzhütte des Escornador ist nach ca. 2,5 Stunden erreicht. Wir sind jetzt auf 860 Metern Höhe. Geradeaus kann man noch weiter bis zum Gipfel auf über 1000 Meter Höhe. Unser Weg führt allerdings an der Ostflanke der Berges wieder herunter. Wir folgen dem hier in Stein gemeißelten Hinweis L'Ofre. Rechts unten im Tal sehen wir auch schon das Gebäude der Finca L'Ofre liegen. Die höchste, bewirtschaftete Finca Mallorcas. Da gibt es auch Wasser, an der Quelle "Font de sa Teula". Eine willkommene Erfrischung bei der Hitze. Bernd hat bereits keinen Tropfen mehr im Camelback und die Flasche ist auch fast leer. Er erlebte heute sein persönliches Waterloo. Und meins sollte ein paar Stunden später auch noch folgen.

Der Abstieg vom Cornador war bei der Hitze heftig. Bernd hatte jetzt alle Körner verschossen. Am liebsten wäre er hier sitzen geblieben, aber die Zeit drängte. Ich wollte die Route durchs Baltixtal nach Cala Tuent und La Calobra noch fahren. Es war wohl für ihn eine Höhlenqual bei fast 40° im Schatten, da nützte es auch nichts, daß wir uns jetzt wieder auf einer breiten Schotterpiste befanden.

Am Paß des Berges L'Ofre eröffnete sich der traumhafte Blick auf den Stausee Cúber und den Puig Major, Mallorcas höchsten Berg mit 1455 m. Bernd war zu der Zeit viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß er noch die Landschaft genießen konnte. Nach einer kurzen Abfahrt vom Paß erreichten wir schließlich die Staumauer an der sich Ali sonnte. "Na auch schon da", war seine lapidare Frage. Den Rest des heutigen Tages mußte ich dann alleine fortsetzen. Ich fuhr also die Straße wieder ein Stück aufwärts vorbei an der Militärstation des Puig Major. Ein mal die Straße hoch bis zur Radarstation - leider Sperrgebiet - das ist schon länger mein Wunsch. Aber mit ein bißchen Glück habe ich hierfür bald eine Sondergenehmigung. Na ja, aber nicht heute.

Weiter geht's durch den Straßentunnel und dann in rasanter Abfahrt bis zum Mirador ses barces, einem traumhaft schönen Aussichtspunkt über der Stadt Sóller. Hier genießt man abends die schönsten Sonnenuntergänge am Horizont mit freiem Blick aufs Meer. Jetzt ist es mittag und brennend heiß. Ich trinke noch schnell zwei Dosen Cola. Den Zucker kann ich gut brauchen, und dann hinunter ins Balitxtal. Eine breite Off-Roadpiste führt hinunter zur Agrotourismo Finca Balitx de Avall. Hier sieht es aus wie in einem Museum. Überall hängen Ackergeräte an der Wand, stumme Zeugen einstiger, harter Arbeit. Die freundliche Hausherrin preßt aus den prallen Orangen und Zitronen frischen Saft, der den nötigen Energieschub bringt für den folgenden brutalen Anstieg zum Coll de Biniamar. Das Maß der Biker, der "Paß der Päße", der "Brutale". Eine breite Piste zwar, aber ausgewaschen und steil. Keine zwei Kilometer, doch extrem harte Arbeit. Blut und Schweiß, wer ihn fahrend bezwingt ist der "Don" der Cyclistas schrieb ich in meinem Mountainbikeführer über Mallorca. Heute würde ich es mit Sicherheit nicht schaffen, es war einfach zu heiß.

Der anschließende Trail die Steilküste entlang ist so traumhaft schön, daß man eigentlich gar nicht mehr weiter möchte. Das gleißend blaue Meer, die spitzen Felsformationen und der Pinienduft verzaubern geradezu. Plötzlich sind die Schmerzen der Anstrengung vergessen. Ich fliege, alles geht leicht und einfach. Als ich dann wieder aus meinem Endorphinrausch aufwachte, versuchte ich gerade, wieder auf Asphalt, mit einem Rennradfahrer mitzuhalten. Hoch zum Paß von La Calobra. Nach kurzer Zeit wurde ich aber bitter auf den Boden der Tatsachen zurückgeschmettert und mußte ihn fahren lassen. Und das bei einem Puls von 110, ausreichend Kraft und Luft, aber die Muskulatur krampfte. Die Hitze verlangte ihren Tribut. Da half auch keine Magnesiumkaspel mehr, ich mußte meine Kochsalznotreserve benutzen. Mit dem Salz ging es dann wieder und ich konnte mit einigermaßen runden Tritt die Fahrt zum Paß, vorbei am Gorg Blau und zum Cúber fortsetzten. Dort angekommen waren Bernd und Ali schon weg. Sie waren allein den Weg durchs Tunnelsystem nach Tossals Verds gefahren, mit einigen Schwierigkeiten wie ich später erfahren sollte. Ich fuhr also in die recht schwere Passage ein.

Die Tunnel sind nicht beleuchtet, aber man kann bei dreien von vier die man durchqueren muß das Ende sehen. Trotzdem ist eine Taschenlampe zu empfehlen, weil der Boden mehr als nur uneben ist. So manche Stolperfalle kann hier zum Verhängnis werden, wenn man nichts sieht. Über die kleine Holzplanke trug ich mein Rad auf die andere Seite des Torrente. Die Sonne stand schon recht tief. Viel Zeit blieb nicht mehr bis zum Einbruch der Dunkelheit. Als ich den vierten Tunnel passiert hatte konnte ich endlich wieder fahren und rollte Richtung großes Gatter von Solleric bergab. Leider war es verschlossen und ich mußte es herüber heben, was mir zu diesem späten Zeitpunkt recht schwer fiel. Nachdem ich die letzten Kehren hinauf nach Tossals geschafft hatte, erwartete mich am Tor bereits Bruk, ein Pastor Mallorquin. Der Wachhund der Hütte. Er ist friedlich und Lammfromm, was man ihm nicht unbedingt ansieht. Aber ich kannte ihn ja schon von meinen früheren Touren. Meine beiden Freunde hatten sich schon im Schlafraum ausgebreitet und warteten aufs Abendessen.

Ali stand noch das "Restadrenalin" in den Augen von ihrem kleinen Zwischenfall mit dem Pastor Mallorquin, den auf der Insel so beliebten Jagdhunden. Als die beiden den letzten Tunnel durchquert hatten, hörten sie plötzlich lautes Gebell, und ein paar Sekunden später sahen sie auch schon die großen, schwarzen Hund auf sich zu laufen. Also nichts wie rauf auf das alte Pumpwerk, das in dem Moment ein willkommenes Fluchtobjekt darstellte. Nur der 50 kg Hund interessierte sich mehr für irgendwelche Hasen und Rebhühner als für die beiden. Die kurze Zeit später vorbeikommenden Jäger müssen sich wohl sehr über die zwei in Bikeklamotten, die oben auf dem alten Pumpwerk standen gewundert haben. In der Hütte waren wir in dieser Nacht die einzigen Gäste, und so genossen wir die Ruhe und den sternklaren Himmel.

3. Tag
Von Tossals übers Castillo de Alaró zum Kloster Lluc
"Alte Schmugglerpfade und Pilgerwege"

Der dritte Tag beginnt wie die ersten beiden. Heiß, 28° morgens um 10.00 Uhr. Wir rollen gut gelaunt dem großen Gutshof "Solleric" entgegen. Dort erwartet uns lautes Gebell, doch die dazugehörigen Hunde können wir nicht sehen. Sie befinden sich irgendwo im Innenhof. Nachdem wir hier unsere Maut bezahlt haben können wir passieren und rasen auf Asphalt Richtung Alaró. Unser Weg führt uns hinauf aufs Castell, das hoch oben auf dem Tafelberg thront. Die Straße hinauf ist nur zur Hälfte asphaltiert und so drücken wir die Stollenreifen schon bald wieder in eine ausgewaschene Piste. Wir stärken uns noch kurz im Bergrestaurant "Es Verger" und fahren dann etwas unterhalb des Castells in einen Traumtrail ein. Jetzt heißt es die Sattelstützen runter und höchste Konzentration. "Na Jungs, jetzt müßte man ein Fully haben", grient uns Ali entgegen. "Klar", meint Bernd, "aber eins an dem die Bremsen funktionieren". Wir kamen alle wohlbehalten unten an und hatten weiterhin einen guten Lauf nach Caimari. Herauf zum Kloster Lluc, dem größten und bekanntesten Wallfahrtsort auf Mallorca, nahmen wir immer wieder den alten "Cami Vell a Lluc" (den alten Pilgerweg nach Lluc). Seinen schönsten Part hat dieser alte Weg an der Durchfahrt durchs "Felsentor" mit dem Blick auf den "Salt de la bella Dona" (dem sog. "Jungfrauensprung").Von hier kann man fast die gesamte Nordküste überblicken. Traumhaft atemberaubend. Wir alle genießen den tollen Blick. Die bisherigen Strapazen und die Hitze sind vergessen. Mit der Leichtigkeit des Seins schweben wir unserer letzten Übernachtungsstätte entgegen. Im Vorhof des Kloster herrscht noch geschäftiges Treiben. Eine andere Welt. Viele Personen verschiedener Nationalitäten. Busse, Autos und eine gewisse Hektik. Aber nachdem der letzte Sonnenstrahl hinter den Bergen versunken war, kehrte auch hier Ruhe ein. Und wir, wir schlürften befriedigt unser "Cerveza" auf der Terrasse des Restaurants und fühlten uns "Sauwohl".

4. Tag
Cami Vell de Lluc
"Zur Belohnung: Meer"

"Buenos dias amigos. ¿Vamos a la playa?"
Aber vorher mußten wir noch ein wenig schwitzen. Ein heftiger Anstieg stand noch aus. Der Rest eher Genuß. Über den alten "Cami Vell de Lluc" ins Val de Marc. Die Bergwelt hat uns ein letztes Mal fest im Griff. Mit leuchtenden Augen fliegen wir über die breite Schotterpiste dem Meer entgegen. Die trailigen Abschnitte des letzten Tages überwinden wir mit Leichtigkeit. Bernd prescht mit seinem Bike voran, er hört schon die Brandung rauschen. "Hey Miguel, gib Gas, ich rieche bereits das Meer". Auch Ali hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Heute tat nichts mehr weh. Der Weg vorbei am Puig Tomir zeigt noch einmal die ganze Schönheit der Insel. Pinienwälder, bizarre Felsformationen, strahlend blauer Himmel und in der Ferne das dunkelblau schimmernde Meer. Bald schon würden wir es erreicht haben. Vorher mußte allerdings noch ein bißchen Kultur herhalten. In Pollença fuhren wir auf den Calvarienberg um dort die kleine Kapelle zu besichtigen. Aus der Stadtmitte führen 365 Stufen hinauf zum kleinen Gotteshaus. Eine Stufe für jeden Tag des Jahres. Die Mittagshitze bließ uns förmlich ihren hießen Wind ins Gesicht. 44°. So verbrachten wir einige Zeit unter den schattigen Schirmen der Placa von Pollenca. Und nachdem wir die große Hitze mit einigen kalten Colas bekämpft hatten tranken wir genüßlich den obligatorischen Cafe con Leche in der Bar Espanyol. Die letzten sieben Kilometer zum Meer entwickelten sich zu einen Wettrennen. Jeder wollte der Erste sein. Und endlich. Wir hatten es geschafft. Freudestrahlend sprangen wir ins kühle Naß. Nach der Hitzeschlacht der letzten Tage hatten wir es uns auch verdient. Ali saß mit seinem Hintern im Sand und ließ sich die Wellen gegen den Bauch schlagen. Vier erlebnißreiche Tage lagen hinter uns. Sie hatten uns nicht enttäuscht. Von allem etwas. Ein bißchen Alpencross, mediterranes Flair, geröllige Pisten, Traumtrails, atemberaubend schöne Serpentinen, Nebel, Kühle, extreme Hitze, Wälder und natürlich das Meer. Ja, ein Hauch von Abenteuer war auch dabei. Wir werden diese Tage nie vergessen.

Michael "Miguel" Nies